Frage: Wie kann man das exakte Zusammenspiel z.B. von Akkorden üben?

 

Antwort von Jason Tiller, 20.03.2002, Mailingliste Handbell-L:

"2 Komponenten sind entscheidend: die mentale und die physische Vorbereitung.
Ich beginne mit dem mentalen Aspekt.
Eine einfache Übung sieht folgendermaßen aus: Suche einen Abschnitt eines Stückes aus, in dem viele Block-Akkorde vorkommen und mit dem Ihr in der Vergangenheit schon gekämpft habt. Nun versucht Ihr es zu spielen, während Euer Chorleiter jede Zählzeit ('subdivisions') laut mitzählt. Ich vermute, dass Eure Akkorde auf Anhieb besser werden. Beim nächsten Versuch zählt jeder Spieler selbst alle Zählzeiten laut mit. Ich hoffe, dies läuft genauso gut wie mit dem Zählen des Chorleiters. Als Nächstes sprecht Ihr die Zählzeiten beim Spielen nur noch innerlich mit.
Ziel ist es, dass sich jeder Spieler genug konzentriert, um ununterbrochen innerlich alle Zählzeiten mitzuverfolgen. Ich wage zu behaupten, dass fast alle Handglockenspieler faul sind (einschließlich mir). Der Gedanke, sich während des Handglockenspielens unentwegt, unabhängig vom eigenen Einsatz, voll zu konzentrieren, scheint ziemlich fremd. Wenn man nicht gerade in einer Passage oder einem Stück besonders häufig seine Glocken zu spielen hat, verbringt man einige Zeit damit, auf den nächsten Anschlag zu warten. Es ist so einfach, die Glocke anzuschlagen, abzudämpfen, anzuschlagen, abzudämpfen usw. Der Grund für das Auseinanderfallen von Akkorden liegt in dem Zeitraum nach dem Anschlag, weil sich nicht jeder voll auf das Stück konzentriert, sondern nur auf den eigenen Part. Zu viele verlassen sich darauf, dass der Dirigent die Gesamtkonzeption des Stückes im Kopf hat.
Die Konzentration auf die eigenen Töne ist ineffektiv. Nur wenn sich jeder des ganzen Stückes bewusst ist, kann ein Chor entstehen, der sensibel und leicht auf wechselnde Bedingungen reagiert und sich sofort, ohne unangenehme auseinanderfallende Akkorde, an Tempoänderungen anpassen kann. Viel zu häufig ist man völlig unflexibel. Wenn alle das komplette Stück vor Augen haben, wird der Chor immer mehr zu einem einzigen Instrument zusammenwachsen. Dies verlangt 100%ige Konzentration und ein Bewusstsein darüber, was um einen selbst herum passiert (keine Scheuklappen).

Der physische Aspekt:
Man kann die Fähigkeit des Zusammenspielens verbessern, wenn alle bereit sind, den Anschlag der Glocke auf die gleiche Art und Weise vorzubereiten. Verglichen mit anderen Instrumenten erfordert das Spielen einer Handglocke eine relativ große, ausladende Bewegung. Bei Streichinstrumenten: eine leichte Bewegung des Bogens. Bei Blasinstrumenten: das Mundstück ansetzen und das Zwerchfell unter Druck bringen, um Luft in das Instrument zu blasen. Bei Tasteninstrumenten: nur leicht eine Taste herunterdrücken.
Bei Handglocken muss die Vorbereitungsphase so aussehen, dass sie einen exakten, gleichmäßigen Anschlag ermöglicht. Je vertrauter ein Spieler mit dieser stets gleichartigen Vorbereitung des Anschlags wird, desto leichter wird es für die anderen, diesem zu folgen und im Einklang miteinander zu spielen.
Ich unterteile die vorbereitende Bewegung in 3 Phasen:
1. eine aufwärtsgerichtete Komponente, die der Glocke potenzielle Energie zuführt, 2. eine Senk-Bewegung, mit der die Glocke vom höchsten Punkt fast in freiem Fall bis auf die Höhe hinuntergeführt wird, auf der der Anschlag erfolgen wird und 3. der Anschlag mit nachfolgender Kreisbewegung.
Der tatsächliche Moment des Anschlags wird von den Fingern kontrolliert (eine sehr präzise, voraussagbare Bewegung). Daher geht die größte Kraftanstrengung beim Spielen in die vorbereitende Bewegung, wohingegen es die kleinsten Muskeln sind, die den tatsächlichen Anschlagspunkt bestimmen. Eine gleichmäßige, immer gleichbleibende vorbereitende Bewegung versetzt den Spieler in die Lage, die Glocke genau dann anzuschlagen, wann er möchte. Darüber hinaus ermöglicht sie den anderen Spielern, allein aufgrund der genauen Beobachtung sich in die Bewegung einzuklinken und dadurch die Glocke exakt zum gleichen Zeitpunkt erklingen zu lassen.

Probiere folgende Übung aus:
Eine Person ist Vorspieler, die anderen beobachten ihn und versuchen gleichzeitig mitzuspielen. Zu Beginn hält der Vorspieler die Glocke ganz nah an der Schulter und stößt sie soweit vor, dass der Klöppel in Bewegung gesetzt wird. Nun versuchen alle anderen, ihre Glocke mit der gleichen Bewegung und synchron anzuschlagen - schwierig, nicht wahr? Leider ist dies die Art und Weise, mit der viele Handglöckner spielen, ohne die anderen um sie herum zu beachten. Außerdem erschwert diese Anschlagsart die Kontrolle über den genauen Anschlagsmoment. Nun hält der Vorspieler die Glocke etwas vom Körper entfernt und schlägt sie an, indem er die Finger öffnet und schließt. Durch diese sehr einfache Bewegung neigt sich die Glocke in der Hand vor und zurück. Ich finde, bei dieser Art der Bewegung kann man die Glocke sehr kontrolliert anschlagen. Allerdings nützt es keinem Mitspieler, nicht wahr? Diese haben es sehr schwer, der Bewegung exakt zu folgen.

Gemeinsam ist den beiden geschilderten Situationen, dass die Anschlagsbewegung nicht vorbereitet und der interne Metronom nicht nach außen hin gezeigt wird. Die Mitspieler können nicht erkennen, wie die Bewegung weiter verlaufen wird. In manchen Sportarten mag es sinnvoll sein, den Gegner im Unklaren darüber zu lassen, was man vorhat, aber in der Musik ist es äußerst hilfreich, möglichst eindeutig und offen zu sein!

Nun folgt der 3. Teil der Übung. Der Vorspieler hält die Glocke vor seinem Körper und denkt sich einen Rhythmus aus. Exakt eine Zählzeit, bevor er die Glocke anschlagen wird, sollen auch alle anderen Spieler ihre Glocke hochheben. Wenn der Vorspieler seinen Anschlag eingeleitet hat, sollen sie ihre Glocken so absenken, dass sie exakt auf der nächsten Zählzeit erklingen. Auf diese Art und Weise werden sich alle Spieler visuell aufeinander abstimmen und zum gleichen Zeitpunkt spielen. Ich hoffe, dass sich das Zusammenspiel der Gruppe damit enorm verbessert hat.
Hm, an dieser Stelle sollte vielleicht daran erinnert werden, dass man seine Aufmerksamkeit zwischen den Mitspielern und dem Chorleiter teilen muss... ;-).
Es liegt auf der Hand, dass man die Noten und die Musik recht gut kennen muss, um fähig zu sein, hochzusehen und seine Mitspieler zu beobachten. Ich finde es gut, wenn unsere Chorleiter dies von uns verlangen. Denn es wird uns nicht gelingen, exakt im richtigen Moment zu spielen und musikalisch aufeinander einzugehen, wenn wir den Blick nicht von den eigenen Noten abwenden können."


Antwort von Melissa Vainio, 20.03.2002, Handbell-L:

Das exakte Zusammenspielen ist ein Problem, mit dem wir alle ständig zu kämpfen haben. Ich möchte Euch ein paar Ãœbungen vorschlagen, die Kollegen und ich vor kurzem ausgearbeitet haben.
Wähle zunächst eine Person aus, deren Aufgabe es ist, einzelne Töne zu spielen und dabei Tempo und Dynamik nach Belieben zu verändern. Jeden Ton soll sie abdämpfen, damit jedes Mal die Gesamtbewegung erfolgt. Die Aufgabe aller anderen Gruppenmitglieder ist es, genau zuzusehen und sowohl absolut im Gleichklang mit dem Vorspieler zu Glocke zum Klingen zu bringen als auch sich seiner Dynamik anzupassen. Dadurch wird sich der Vorspieler seiner Bewegung immer bewusster, und der Rest der Gruppe lernt, worauf zu achten ist, wenn man mit dieser Person zusammenspielt. Jeder übernimmt mal die Rolle des Vorspielers, so dass die ganze Gruppe langsam lernt, wie die Vorbereitung und der Anschlag jedes einzelnen Spielers aussehen. Besprecht miteinander, was Ihr seht, welchen Bewegungen leichter und welchen schwieriger zu folgen ist.
Nun geht es nicht nur um das Zusammenspielen von einzelnen Akkorden, sondern des ganzen Stückes. Der Vorspieler darf weiterspielen, ohne die Glocke nach jedem Ton abdämpfen zu müssen. Er sollte weiterhin Tempo und Dynamik verändern, weil dadurch die Anschlagsbewegung ebenfalls beeinflusst wird. Die Gruppe lernt dabei, wie die normale Anschlagsbewegung des Vorspielers und alle dynamikbedingten Variationen aussehen. Wiederum übernimmt jeder mal die Rolle des Vorspielers.

Wenn die Gruppe kein Interesse daran hat, diese Übung gemeinsam durchzuführen, kann man auch in einer normalen Probe die Bewegungen der Mitspieler lernen, einfach indem man sie beobachtet, so oft sich die Gelegenheit bietet.

Die folgende Übung, die wir vor kurzem ausprobiert haben, finde ich sehr aufschlussreich. Sie veranschaulicht die Tatsache, dass jeder über ein inneres Metronom verfügt, dass jedoch alle Metronome unterschiedlich eingestellt sind!
Schließt die Augen, während eine Person das Tempo vorgibt, in dem sie einen Takt laut vorzählt. Den zweiten Takt zählt jeder leise für sich selbst, dann spielt Ihr im 3. Takt auf Zählzeit 1 einen gemeinsamen Akkord. Als Variation könnt Ihr auch jede Zählzeit des 3. Taktes spielen, um auszutesten, wie schnell Ihr wieder zusammenkommt.
Mit geschlossenen Augen zu spielen mag eine künstliche Situation sein, in die Ihr in einem Konzert niemals kommt. Sie zwingt einen jedoch, seine Sinne zu schärfen und subtile Anzeichen wahrzunehmen, denen man normalerweise keine Beachtung schenken würde. Außerdem schult man sich darin, das innere Metronom an das äußere Tempo anzugleichen. Variiere das Tempo von einem Versuch zum nächsten, und zähle, zähle, zähle ('subdivide')! Wiederhole nach ein paar Versuchen mit geschlossenen Augen diese Übung mit geöffneten Augen.
Das Zusammenspielen fühlt sich ganz plötzlich viel einfacher an!


Antwort von Kath Wissinger, 20.03.2002, Handbell-L:

Zu Jasons Konzept der 'vorbereitenden Bewegung' kommen mir 2 Gedanken:
1. Glocken unterschiedlicher Größe benötigen unterschiedlich viel Zeit von der Ausgangsposition bis zum Anschlag des Klöppels.
Um eine C7-Glocke erklingen zu lassen, ist eine ganz andere Bewegung nötig, als wenn man eine C4- oder C3-Glocke anschlagen möchte. Bei letzteren legt der Klöppel eine viel größere Entfernung zurück und benötigt viel mehr Zeit, bevor er den Glockenkörper berührt. Daher müssen die Bassglocken-Spieler den Anschlagsmoment innerlich vorwegnehmen und entweder eher oder schneller als die Sopranglocken-Spieler die Bewegung einleiten. Wenn alle Spieler exakt die gleiche Bewegung durchführen, erklingen die Bassglocken etwas später als die Sopranglocken.

2. Da Glocken aufgrund ihrer speziellen Mechanik eine besonders deutliche Vorbereitungsphase benötigen, muss der Dirigent lernen, den Spielern ausreichend Zeit und visuelle Vorbereitung zu geben, damit diese ihre Glocken simultan anschlagen können. Aus diesem Grund denke ich, dass Handglocken-Dirigenten sehr viel mehr für ihre Spieler sein müssen als 'Metronome'.


Antwort von Ann Flisrand, 20.03.2002, Handbell-L:

Einige Rhythmusübungen helfen in der Regel. Ich lasse die Gruppe oft die Rhythmen klatschen, die ihnen Schwierigkeiten bereiten. Hilfreich kann auch sein, ein leichtes Martellato zu schlagen, weil dadurch jeder genau hören kann, was passiert. Halte die Glocken dabei nicht mehr als 2 oder 3 Inches über dem Schaumstoff. Auf diese Art und Weise kann geübt werden, alle Glocken gleichzeitig zu schlagen. Ein Teil des Problems, die Glocken exakt gemeinsam zum Klingen zu bringen, liegt darin, dass der Klöppel in großen Glocken eine längere Zeit bis zum Anschlag benötigt als in kleinen. Ein anderer hilfreicher Tipp: Setze die Glocke früh genug in Bewegung, bevor sie erklingen soll.


Übersetzung aus dem Amerikanischen: Antje Mexner

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